Zur praktischen Durchführung von Schutzimpfungen
Obwohl Injektionen zur ärztlichen Routine gehören, treten gerade im Zusammenhang mit Schutzimpfungen immer wieder einmal Fragen auf. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat in ihren letzten Empfehlungen dazu einige Hinweise gegeben (1), die als wesentliche Grundlage für diese Ausführungen dienen.
Gelegentlich wird vermutet, dass eine Impfung lokal besser verträglich sei, wenn der Impfstoff früh aus dem Kühlschrank genommen oder in der Hand angewärmt werde. Hierfür gibt es keinen Beleg. Die STIKO empfiehlt, den Impfstoff erst kurz vor der Injektion aus der Kühlung zu nehmen und den Impfstoffbehälter vor dem Öffnen, eventuell nach Rekonstitution mit dem beigefügten Lösungsmittel, kräftig mit der Hand zu schütteln. Die Nadel, mit der der Impfstoff aufgezogen wurde, sollte nach Entfernen etwa vorhandener Luft (geringe Mengen an Luft sind unproblematisch) mit der Hand abgezogen (nicht mit den Einkerbungen am Abwurfbehälter, um Verunreinigungen zu vermeiden) und verworfen werden, da die Injektion mit einer außen mit Impfstoff benetzten Kanüle schmerzhafter ist und zu stärkeren lokalen Reaktionen führen kann. Die Impfstelle sollte desinfiziert (Einwirkzeit beachten!) und der aufgezogene Impfstoff sollte innerhalb von max. 5 Minuten injiziert werden.
Für i.m. zu injizierende Impfstoffe ist der M. deltoideus (ca. drei Querfinger unterhalb des Acromion) zu bevorzugen. Ist die Muskelmasse dort noch nicht ausreichend entwickelt (z. B. Säuglinge, Kleinkinder) sollte der M. vastus lateralis gewählt werden. Hinsichtlich der Nadellänge für die i.m.-Injektion gibt es eine bereits 1997 publizierte Arbeit von Gregory A. Poland (2). Darin kommt er zu dem Schluss, dass bei Männern mit einem Gewicht zwischen 58 und 118 kg und Frauen zwischen 60 und 90 kg im Allgemeinen eine 25 mm lange Kanüle ausreicht. Bei geringerem Gewicht reichen 15 mm. Ich selbst verwende meist eine schwarze (30 mm) bzw. bei geringer Dicke des Unterhautfettgewebes eine braune (23 mm) Kanüle.
An den empfohlenen Injektionsorten ist das Risiko, auf ein größeres Gefäß zu treffen, äußerst gering. Deswegen wird seit einiger Zeit und auch von der STIKO empfohlen, auf eine Aspiration vor der Injektion zu verzichten, was zu einer Schmerzreduktion führt.
Ein Problem kann die i. m.- Injektion bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko z. B. aufgrund einer Antikoagulationstherapie darstellen. Bei Phenprocumon (z. B. Marcumar®) oder Warfarin (z. B. Coumadin®) behandelt die Fachinformation die i.m.-Injektion wie andere möglicherweise mit einer Blutung einhergehende Eingriffe und erklärt diese unter der Therapie für kontraindiziert. Auch in der Fachinformation für unfraktioniertes Heparin gibt es den Hinweis, dass i.m.-Injektionen während der Anwendung zu vermeiden seien. Bei den „neuen oralen Antikoagulantien (NOAKs)“ und niedermolekularem Heparin fehlt der Hinweis jedoch.
Die meisten Impfstoffe können alternativ auch tief subcutan angewendet werden. Allerdings gibt es diese Möglichkeit nach den Fachinformationen bei den Impfstoffen gegen Meningokokken, Tollwut, HPV nicht oder nur sehr eingeschränkt. Auf den Seiten des Robert Koch-Instituts ist eine Liste der Impfstoffe mit Informationen zum empfohlenen bzw. vorgeschriebenen Injektionsweg und weiterführenden Hinweisen veröffentlicht.
Ich selbst bin bei Patienten unter Antikoagulantientherapie häufiger einer Empfehlung der CDC: Vaccine Recommendations and Guidlines oft he ACIP (3), dem amerikanischen Pendant zur STIKO, gefolgt und habe nach Information und Aufklärung des Patienten mit einer dünnen Nadel (z. B. 23-gauge) i. m. injiziert und den Injektionsort anschließend für 1 bis 2 Minuten komprimiert. Es ist niemals etwas Unerwünschtes geschehen.
Auch s.c.-Injektionen sollten bevorzugt in der Regio deltoidea bzw. am anterolateralen Oberschenkel erfolgen. Auch hierbei muss nicht aspiriert werden. Während bei der i.m.-Injektion die Nadel nahezu senkrecht eingestochen wird, sollte bei der s.c.-Injektion ein Winkel von ca. 45 Gradverwendet werden.
Seit 2016 finden sich in den jährlichen Empfehlungen der STIKO auch Maßnahmen zur Stress- und Schmerzreduktion. Das Robert Koch-Institut hat diese Hinweise in einem 2-seitigen Merkblatt zusammengefasst. Auch die BZgA bietet aus ihrer Homepage eine entsprechende Publikation für Eltern an.
Erstellt: 11.4.2019
Quellen:
- STIKO: Epid.Bull. 2018; 34: 335-382
- Poland G.A. et al.: J. Am. Med. Ass. 277 (1997), 1709
- Centers for Disease Control and Prvention: Vaccine Recommendations and Guidelines of the ACIP: Special Situations